Verfassungsschutz warnt: Viele Menschen haben „Wut und Hass“ auf die Politik
Nach den Ausschreitungen in Chemnitz haben Verfassungsschützer die Stimmungslage in Deutschland untersucht. Ihr alarmierendes Fazit in einem vertraulichen Bericht: Viele Bürger misstrauten dem Staat so sehr, dass Gewaltaktionen bis hin zur Selbstjustiz zu befürchten seien.
Ausgehend von diesen dramatischen Ereignissen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die Stimmungslage der Menschen in Deutschland analysiert und dabei auch untersucht, wie groß die Gefahr einer zunehmenden Radikalisierung ist. Ihre beunruhigenden Erkenntnisse haben die Sicherheitsexperten in einem als vertraulich eingestuften Bericht („VS – Nur für den Dienstgebrauch“) zusammengefasst, der FOCUS Online vorliegt.
Das in der Öffentlichkeit bislang unbekannte Papier trägt den Titel „Radikalisierungseffekte im Zusammenhang mit Straftaten durch Migranten am Beispiel der Geschehnisse in Chemnitz“. Es stellt eine schonungslose Bestandsaufnahme der jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen dar und gibt einen Ausblick auf mögliche Folgeerscheinungen.
In der Analyse heißt es, die Ereignisse von Chemnitz „werfen ein Schlaglicht auf eine potenzielle politische Schieflage in der Bundesrepublik, die sich in Teilen der Bevölkerung mittlerweile zu Wut und Hass auf die Politik und deren Vertreter auswächst“. In Deutschland herrsche – befeuert durch den Unmut vieler Menschen – ein „politisches Gesamtklima, in dem eine Gewalttat durch Migranten ausreicht, um eine Vielzahl an – auch gewaltorientierten – Unterstützern zu mobilisieren".
Die „extrem aufgeladene Stimmung“ in Chemnitz ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ein deutlicher Hinweis darauf, „dass die Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung und bestimmten Regionen mit der aktuellen Politik hinsichtlich zentraler Themenfelder inzwischen einen kritischen Punkt erreicht haben könnte“. Es herrsche „ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber etablierten Politikern, ihrer Politik und den sie unterstützenden Medien, die für viele inzwischen als regelrechtes Feindbild gelten“.
Als Beleg für die wachsenden Spannungen führen die Sicherheitsexperten unter anderem „Hasspostings“ in den sozialen Medien an. Dort seien „aggressive Drohungen gegenüber politischen Entscheidungsträgern geäußert und Gewaltfantasien gegen Feindbilder wie Migranten und politische Gegner verbreitet“ worden.
Das Neue – und Erschreckende – in Chemnitz sei gewesen, dass sich die in den sozialen Netzwerken artikulierte Wut „auf die Straße“ übertragen habe.
Die Wucht der Proteste hat sowohl Sicherheitsbehörden als auch viele Politiker sichtlich überrascht. Doch statt die Menschen zu beruhigen und auf ihre Ängste einzugehen, lieferten sich die Verantwortlichen einen erbitterten Streit um die Frage, ob es in Chemnitz „Hetzjagden“ auf Ausländer gegeben habe oder nicht. Der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, verneinte dies und verlor daraufhin seinen Posten. Die Große Koalition in Berlin stand kurz vor dem Auseinanderbrechen.
Die hitzigen, teilweise feindseligen Debatten haben das Vertrauen der Menschen in die Politik nicht gestärkt – im Gegenteil. Viele dürften sich in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber den etablierten Parteien bestätigt gefühlt haben.
In ihrem unmittelbar nach den Ausschreitungen erstellten Bericht vermerken die Staatsschützer, viele Menschen in Deutschland seien verunsichert und zweifelten „an der Wirksamkeit rechtsstaatlicher Prozesse und sicherheitspolitischer Maßnahmen der Regierung“. Sie hätten den Eindruck, dass der Staat Herausforderungen wie Kriminalität und Zuwanderung „ebenso wenig Herr werde wie anderer damit mittelbar verbundener Problemstellungen“.
Beispielhaft für die Sorgen der Menschen nennen die Experten „Berichte über die terroristische Bedrohung durch Islamisten, Integrationsdefizite von Zuwanderern oder die Praxis der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber“. Vorfälle wie in Chemnitz würden vielfach zum Anlass genommen, „politische Entscheidungen der Vergangenheit grundsätzlich zu kritisieren und die Vollzugsfähigkeit des Rechtsstaats infrage zu stellen“.
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Bald…
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