Unsere europäischen Freunde:
Griechenland will 280 Milliarden Euro Entschädigung für NS-Verbrechen von Deutschland
Solange Griechenland am EU-Tropf hing, vermied es Premier Tsipras, Reparationen für die NS-Kriegsverbrechen zu verlangen. Doch nun, nach Ende des letzten Rettungspakets, will Athen handeln.
Das griechische Parlament soll dann einen Bericht absegnen, demzufolge den Griechen 269,5 Milliarden Euro an Entschädigungen für den Zweiten Weltkrieg zustehen. Hinzu kommen Rückforderungen eines Kredites, den die Griechen seinerzeit den Nazis für "Besatzungsausgaben" gewähren mussten. Dessen Wert wurde laut dem Bericht Ende 2014 auf rund 10,3 Milliarden Euro geschätzt.
Der Bericht ist bereits seit August 2016 fertig, wurde aber in der Schublade gelassen, solange die Griechen noch Notkredite von anderen EU-Ländern erhielten - und damit auch aus Deutschland.
Nachdem das dritte und letzte Rettungspaket für Griechenland Ende August endete, änderte sich die Haltung des Athener Premiers rasch. Tsipras erlaubte nun, dass das Parlament über die Zulässigkeit des Berichts abstimmt.
Es gehe ihm um moralische Entschädigung und um einen historischen Schlussstrich, argumentiert der Premier. Die vielen Milliarden, die sein Land bekommen könnte, und die drohenden Neuwahlen, bei denen ein solcher Erfolg ihm viele Stimmen bringen dürfte, erwähnte er nicht.
Auch Triandafyllos Mitafidis, ein Abgeordneter von Tsipras' Syriza-Partei, und gleichzeitig der Vorsitzende des Komitees, das den Bericht zu den angeblich ausstehenden Reparationen verfasst hat, spricht viel von Gerechtigkeit.
"Die Zeit ist reif für eine Entschädigungsforderung", sagte Mitafidis dem SPIEGEL. "Es gibt keine gesetzlichen Limitierungen für Verbrechen gegen die Menschheit. Die Forderungen in dem Bericht sind voll begründet - historisch, politisch und rechtlich."
"Die Abstimmung im Parlament ist ein positiver Schritt", sagt auch Aristomenis Syngelakis vom griechischen Komitee für Reparationsforderungen gegen Deutschland, dessen Großvater von den Nazis erschossen wurde. Syngelakis verlangt gar, deutsches Staatseigentum auf griechischem Boden zu konfiszieren - durch die Durchsetzung früherer griechischer Gerichtsentscheidungen. Doch die Regierung will einen solchen radikalen Schritt nicht gehen.
Das Ziel ist der internationale Gerichtshof
Nachdem das Parlament über den Bericht abgestimmt hat, soll Phase zwei von Griechenlands Kampagne starten. Die Griechen wollen ihre Argumente in der ganzen Welt vortragen: in Deutschland, im EU-Parlament, vor dem Europäischen Rat und in der Uno.
In der dritten Phase ihrer Kampagne wollen die Griechen schließlich ihre Forderungen gegenüber den Deutschen erheben - vermutlich in Form einer verbalen Notiz, in der die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, mit Griechenland Verhandlungen über die Reparationsforderungen aufzunehmen.
Die Bundesregierung dürfte dieses Gesuch ablehnen. Sie hat schon in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass Griechenland aus ihrer Sicht kein Recht darauf hat, Entschädigungen für den Zweiten Weltkrieg zu fordern.
Nach Meinung einiger griechischer Rechtsexperten könnte ausgerechnet diese Ablehnung den Weg für einen Gerichtsprozess vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ebnen.
Deutschland hält den Internationalen Gerichtshof nur für rechtliche Streitigkeiten zuständig, die sich nach dem 1. Mai 2008 zugetragen haben. Entsprechend könne Griechenland dort keine jahrzehntealten Forderungen einklagen. Sollte Deutschland nun aber Verhandlungen über die griechischen Reparationsforderungen ablehnen, dann könne die Regierung in Athen genau diese aktuelle Handlung vor dem Internationalen Gerichtshof anfechten, glauben die Experten.
archivecaslytosk.onion/s1tFD